Christiane F. – Die Kinder vom Bahnhof Zoo

Nachdem ich vor vielleicht zwanzig Jahren, als ich noch TV geguckt habe, mal in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" reingezappt hatte, fand ich an der Zeit, den Film jetzt nochmal anzusehen. Ich hatte nicht erwartet, dass der so "reinknallen" würde. "Schockierend" trifft es meiner Meinung nach nicht.

Ich wollte die Hintergründe kennen.

04 Mai 2005

Zusammenfassung zum Blog

"Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" habe ich kürzlich als Film gesehen. Er hat mich ziemlich aufgewühlt und eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die ich beantwortet haben wollte. Hintergrundwissen.

Eine Woche lang habe ich recherchiert. Die Ergebnisse habe ich hier verdichtet zusammengefasst. Jede meiner Angaben habe ich durch Verweise ins Web belegt. Wenige Seiten bieten passende Ankerpunkte. Daher habe ich den Links meistens einen Hinweis hinzugefügt, wo man die gemeinte Stelle auf der referenzierten Seite finden kann. (Der Hinweis erscheint bei den populären Browsern, wenn man mit der Maus auf den Link geht, ohne ihn anzuklicken.)

An manchen Stellen habe ich zusätzliche Hinweise untergebracht. Diese Stellen sind gepunktet unterstrichen, und die Hinweise verhalten sich genauso wie die bei den Links.


Die Geschichte der Christiane F. habe ich chronologisch nachgezeichnet. Jede einzelne Station ist mittels der Navigationsliste "chronologisch" (im Randbalken, rechts) erreichbar.

Einige von diesem Blog aus verlinkte Seiten sind auf englisch. Die rechts angegebenen "Hilfsmittel" unterstützen beim Übersetzen, und der interaktive Stadtplan bei der Orientierung in Berlin. Ein RSS-Feed ist verfügbar, aber vermutlich witzlos, da ich diese Site als abgeschlossen betrachte.


Weitere Seiten, die außerhalb der Chronologie liegen, sind: "Christiane Vera Felscherinow – Die Kinder vom Bahnhof Zoo" — "Der 'Modus', in den der Film den Zuschauer versetzt, ist nicht 'schockierend'" — "Sichere und vermutete Konzessionen der Geschichte an den Film" — "Das Buch als PDF" — " "unveröffentlichte Photos aus der damaligen Reportage"" — "Fragen, die der Film aufwirft".

03 Mai 2005

Die Verstörung des Films überwinden

Die Verstörung, die der Film verursacht, hat sich bei mir gelöst, als mir fühlbar wurde, dass es sich bei der im Film gezeigten Christiane um einen Avatar handelt. Beeindruckend wurde der Film insbesondere dadurch, dass ich "wusste", dass "alles, was im Film gezeigt wird, wahr ist". Aber meine Recherchen haben mir gezeigt, dass dieses stillschweigend akzeptierte Hintergrundwissen trügerisch, falsch ist. Die Interviews mit
Natja Brunckhorst haben einen anderen Menschen zutage treten lassen, als den im Film dargestellten. Das hat mich dazu veranlasst, zu differenzieren zu beginnen zwischen der Film-Christiane – die so spielt, dass man sich mit ihr identifizieren kann –, der wirklichen Christiane Felscherinow und der wirklichen Natja Brunckhorst.

Ich notiere dies hier – möglicherweise kann ich dadurch anderen Hilfestellung leisten, von dem "Schock" des Films wieder loszukommen.

02 Mai 2005

Ende des verfilmten Zeitraums – und wie es weiterging

Aufgrund ihres Verstoßes gegen das "Betäubungsmittelgesetz wird Anklage gegen Christiane erhoben. Im Urteil werden ihre eigenen Bemühungen um Entzug positiv bewertet, so dass die "Entscheidung, ob Jugendstrafe zu verhängen ist, [...] zur Bewährung ausgesetzt" wird. Ihre Mutter bringt sie in den Westen. Dort bleibt sie bis sie im Prozess gegen einen Geschäftsmann, der sich Kinder mit Heroin gefügig gemacht hat, als Zeugin nach Berlin geladen wird.

Dort trifft sie auf zunächst einen Mitarbeiter des Stern und den Fotografen Jürgen Müller-Schneck. Der Journalist möchte Recherchen über Straßenkinder ergänzen. Er fragt Christiane, ob sie etwas zur Kinderprostitution in Berlin zu sagen habe. Sie antwortet mit einem festen: "Und ob!"

Beide, Journalist und Fotograf, vereinbaren mit Christiane ein Interview, in dem sie ihre bereits vorhandenen Recherche-Ergebnisse ergänzen wollen. – Immer wieder erwähnt wird, dass das Gespräch auf zwei Stunden angesetzt war, dass sich daraus aber Gespräche entwickelten, die sich über zwei Monate erstreckt haben (jeweils montags bis freitags). (Möglicherweise aufgrund eines Übersetzungsfehlers ist in diversen Web-Quellen die Rede von zwölf statt zwei Monaten, sowie – diese Phrase "zwölf Monate" zusammenfassend – von einem Jahr.)


Die Gespräche wurden auf Tonband aufgenommen. Daraus ist eine im Stern erschienene Reportage entstanden. Daraus ist das Buch entstanden, das unter dem Verfasser-Namen "Christiane F." erschienen ist. Der Name wurde dabei vermutlich deswegen auf "Christiane F." gekürzt, um Christiane vor Öffentlichkeit und Presse zu schützen. (Ich vermute, dass dieses Kürzel nicht als Name des Verfassers wahrgenommen wurde, sondern als Teil des Titels, und auf diese Weise Teil des Film-Titels geworden ist.) – Der Schutz gegen die Öffentlichkeit hat allerdings nicht lange bestanden, da Christiane von der Filmproduktion zu Werbezwecken eingesetzt wurde.

Auf Basis der Tonband-Protokolle und des Buches entstand ein Theaterstück, das in Moers aufgeführt werden sollte. (Dort bekamen die Verantwortlichen aber kalte Füße und sagten die Aufführung ab.) Das Theaterstück diente möglicherweise als Vorlage für den Film. – Vergleicht man den Inhalt des Buches mit dem des Filmes, so fällt auf, wie reich der Film an Konzessionen ist. Beachtet man zusätzlich, dass Christiane nicht mit dem Film zufrieden war, tauchen Zweifel daran auf, ob das Theaterstück – das (vgl. oben) Vorlage für den Film war – tatsächlich von Christiane verfasst worden ist, oder ob nicht auch dort Ghostwriter am Werk waren.

Der Film erschien 1981. Am 2. April 1981 hatte er in Wiesbaden und Aachen Premiere. Bereits Wochen vorher wurde er auf Plakaten angekündigt; die beiden damals einzigen deutschlandweit (West-D.) empfangbaren Fernsehsendern Tage vor der Premiere hochgepusht.

Für den Film wurden um die 2 000 Menschen gecastet. Für die Hauptrollen wurden schließlich Natja Brunkhorst und Thomas Haustein ausgewählt. Außer in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" wird Natjas Nachname – soweit ich gesehen habe – überall mit "ck" geschrieben.) Möglicherweise liegt hier eine Namensänderung zugrunde oder im Film schlicht ein Schreibfehler vor. Anlass für eine solche Namensänderung mag gewesen sein, dass Natja Brunkhorst nach der Film-Premiere nicht mit dem Presserummel klargekommen ist: Sie hat die Schule mit 16 verlassen und ist nach England gegangen.)

Natja Brunckhorst hat nach "Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" noch in weiteren Filmen mitgespielt. Thomas Haustein ist von der Bildfläche verschwunden. Über Jens Kuphal ("Axel") ist bekannt, dass er bei den Hansa-Studios in Berlin als Plattenproduzent arbeitet.

Was aus den übrigen Mitgliedern von Christianes damaliger Clique geworden ist, habe ich nicht recherchiert.

Frau Felscherinow wohnt wieder in Berlin. Auf der Straße laufen ihr mitunter Jugendgruppen hinterher und skandieren "Christiane, Christiane". Manchmal klingeln Jugendliche bei ihr und fragen sie, ob all das in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" wahr sei.


Der Kinderstrich am Bahnhof Zoo existiert immer noch. Bahnchef Hartmut Mehdorn kündigte im Jahr 2001 ein an, der Bahnhofsmission die Essensausgabe zu verbieten: Diese Essensausgabe locke Obdachlose und Drogenabhängige in den Bahnhof. – Ob dies allerdings der Hauptgrund dafür ist, dass der Bahnhof Zoo (für die – aus Sicht der Bahn – zu verdrängende Gruppe) attraktiv ist, erscheint mir jedoch zweifelhaft: Möglicherweise ist der Ort per se anlockend, denn auch Ende der 70er-Jahre war er "gut bevölkert". – Gab es da etwa eine solche Küche?

Auch die Popularität des Buches "Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" dürfte den Bahnhof attraktiv machen: Touristen kommen nach Berlin, um die Orte auf sich wirken zu lassen (PDF), an denen Christiane damals war. Kurz nach Erscheinen des Filmes löste – zumindest bei einigen Schulklassen – die "Christiane-F."-Route die "Mauer"-Route ab.

01 Mai 2005

Sichere und vermutete Konzessionen der Geschichte an den Film

Dass Christiane und Detlef in Axels Bett gezeigt werden, halte ich für ein Zugeständnis an den Film: Möglicherweise waren die Lichtverhältnisse dort besser als in dem ursprünglich als Detlefs eingeführten Raum. Ähnliches denke ich mir in Bezug darauf, dass die Betten stets gemacht und teilweise sogar frisch bezogen waren.


Ob Alexander ("Atze"), Axel und Babsi tatsächlich in dieser Reihenfolge gestorben sind, erscheint mir fraglich, denn diese Reihenfolge deutet eher auf ein filmisches Stilmittel hin: Atze ist Bekannter dritten Grades von Christiane; Axel ist Bekannter zweiten Grades (Christiane kennt ihn über Detlef); Babsi ist Bekannte ersten Grades (Christianes Freundin). (Christiane wäre Bekannte "nullten" Grades, also sie selbst.)

Dass erst ein Bekannter dritten Grades, dann zweiten, dann ersten Grades stirbt – drei – zwei – eins – und Christiane daraus den Schluss zieht, sich nun selbst "zu verabschieden" – null –, wirkt auf mich unecht; daher halte ich für möglich, dass diese Reihenfolge nachträglich von dem/für den Film festgesetzt wurde.


Die Körperstelle, die Christiane für den "Goldenen Schuss" wählt, mag für sie selbst von großer Bedeutung sein – das Ende des tätowierten "Fragezeichens", das sie sich nach Detlefs Vorbild gemacht hat –, doch wirkt auf mich sehr merkwürdig, dass die Stelle für den "Goldenen Schuss" ausgerechnet – wie im Film gezeigt – auf der Hand sein soll – zumal dort überhaupt keine Ader zu sehen ist, die sie verwenden könnte.

Dass sich das Tattoo im Film auf der Hand befindet, ist vermutlich ebenfalls eine Konzession an den Film. In Wirklichkeit befindet sich die Tätowierung an anderer Stelle: Auf Fotos von Christiane (!), die nach dem Film entstanden sind (1981 oder 1982), kann man das Mal ganz gut auf halber Unterarm-Höhe erkennen.

gesammelte Links

Dies ist eine Zusammenstellung von Links, die ich hauptsächlich verwendet habe, um die Informationen über die "Kinder vom Bahnhof Zoo" zusammenzustellen. Die Sammlung ist unsortiert und unkommentiert, dient lediglich dazu, hier vollständig alls Links zu listen, die ich verwendet habe.