Christiane F. – Die Kinder vom Bahnhof Zoo

Nachdem ich vor vielleicht zwanzig Jahren, als ich noch TV geguckt habe, mal in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" reingezappt hatte, fand ich an der Zeit, den Film jetzt nochmal anzusehen. Ich hatte nicht erwartet, dass der so "reinknallen" würde. "Schockierend" trifft es meiner Meinung nach nicht.

Ich wollte die Hintergründe kennen.

29 April 2005

Der für den Film aufbereitete Zeitraum

Der Film zeigt Christiane im Alter von etwa 13 bis 14 (ca. 1975 – 1976). Nicht erst im Sound gerät sie an Drogen, sondern bereits mit 12 Jahren Valium eingenommen und in einem evangelischen Jugendheim Haschisch geraucht, in das Kerstin ("Kessi") sie mitgenommen hatte.

Im Film liest Christiane den Slogan des Sounds vor: "Sound – Europas modernste Diskothek". – Dieser Slogan scheint sich auf den ersten Blick auf die Ausstattung des Sounds zu beziehen: Als Kessi das erste Mal mit Christiane ins Sound geht und Christiane sie dabei beobachtet, wie sie Pillen weitergibt, kann man in der Scheibe hinter ihr ganz kurz ein Schild sehen, das vor Laser-Strahlen warnt. Heute in jedem CD-ROM-Laufwerk zu finden, war damals ein Laser eine – meiner Vermutung nach – absolute Rarität. Vermutlich war der Slogan in dieser Hinsicht nicht überzogen: Gut möglich, dass das Sound damals tatsächlich als einzige Diskothek in Europa mit einem Laser ausgestattet war. Modern war das Sound aber auch durch seine Musik: In der Musikszene setzte es Trends, und viele Gruppen wurden erst durch das Sound bekannt.

Dazu der Ausstattung mit einem Laser kamen die Unterhaltungsangebote, die auf dem Plakat im Film nicht so gut zu erkennen sind, dafür aber in der Bilddatei, die – in größerer Auflösung – diesem Plakat zugrunde gelegen haben mag: "Bordkino -+- Cafe Snack -+- Terrarium -+- Tee- und Weinstube -+- Zeichenecke -+- Milchbar -+- Visiothek -+- TV-Studio -+- Schallplattenbörse -+- Eisteria -+- Laser-Projektion -+- Nebelmaschinen -+- Billard". Eine der beiden Einrichtungen "Visiothek" und "TV-Studio" wird im "Volks"mund schlicht "der Fernsehraum" genannt.

Entgegen dem im Film vermittelten Eindruck befand sich das Sound in einem mehrgeschossigen Gebäude: oben drüber befinden sich Wohnungen. In der Einstellung, als Kessi und Christiane das erste Mal auf das Sound zugehen, kann man kurz einen schmalen Streifen dieser Appartements über dem Eingang erkennen. – Wenige Tage nach Erscheinen des Fils aufgenommene Fotos zeigen die ganze Fassade einschließlich der Wohnungen oberhalb des Eingangs zum Sound. – Möglicherweise wurde der Eingang nach dem oder für den Film geändert, denn im Film erscheint lediglich der Schriftzug "Sound", während die Fotos den Schriftzug "Diskothek Sound" zeigen. Auch wenn das Sound heute noch existiert, hat es mehrfach den Besitzer gewechselt. Nachdem die dortige Drogenszene bekannt geworden ist, durften im Sound eine zeitlang nichteinmal alkolische Getränke ausgeschenkt werden. – Das Sound lag an der Genthiner Straße (Nummer 26). 1988 gab es einen Brand im Sound, so dass es geschlossen wurde. Das neue Sound befindet sich in der Bismarckstraße.

Axel sitzt im Fernsehraum, als Christiane an die Scheibe klopft und nach Detlef fragt. Dieser Raum war in der Tat etwas Besonderes: Mehrere Fernseher liefen gleichzeitig und zeigten verschiedene Programme. An jedem Sitz gab es Anschlüsse, in die man (geliehene) Kopfhörer einstecken und den Tonkanal zu dem interessierenden Programm wählen konnte. (Damals gab es nur zirka acht Fernsehsender.) – Modern war das Sound, wie der damalige Pächter der Schallplattenbörse schreibt, auch dadurch, dass die Cover der jeweils aufgelegten Platten auf verschiedenen Monitoren angezeigt wurden, die im Sound verteilt waren. Dadurch war es für die Besucher ganz einfach die entsprechenden Scheiben im Plattenhandel oder auf der Plattenbörse zu finden. Zusätzlich bot das Sound einen Raum, in dem Besucher gerade gespielte Stücke auf Tonbänder mitschneiden konnten.

David Bowie, dessen Musik den Film unterlegt, wurde den damaligen Playlists des Sounds zufolge, vor allem 1975 im Sound gespielt: Juni '75 – Fame und November '75 – Golden Years von der Station to Station, die Christiane auch im Regal stehen hat. 1976 befindet sich der Künstler, ebenso wie Christiane (damals 14), in Berlin, so dass zweifelhaft erscheint, ob die Film-Aussage "David Bowie kommt nach Berlin" originalgetreu ist: Wenn Bowie in Berlin war – und dieser Umstand allgemein bekannt –, dann hatte Christiane keinen Anlass, von "kommt nach" zu sprechen.


Nachdem Christiane die vermeintliche Überdosis hinter sich hat, greift ihr Vater zu drakonischen Maßnahmen, um Christiane von der Drogensucht los zu bekommen. So sperrt er sie unter anderem mehrere Tage lang in einer elterlichen Wohnung ein. (Aus der Quelle geht nicht hervor, ob es sich dabei um seine Wohnung handelt oder um die von Christianes Mutter; doch das Buch, verrät, dass es sich um seine Wohnung in der 11. Etage handelt.) Später bringt die Mutter Christiane in den Westen.